Nummer | 133 |
Titel | Regierungsblatt zur Pflege des Heimatgedankens, 12.11.1925 |
Datum | 1925-11-12 |
Thema | Regierungsblatt zur Pflege des Heimatgedankens |
Feld 1 | Regierungsblatt zur Pflege des Heimatgedankens, 12.11.1925 |
Feld 2 | |
Fundort | Gemeindearchiv |
Landshut, den 12. Nov. 1925
Präsidium der Regierung von Niederbayern.
Abschrift:
An die Herren Vorstände der Bezirksämter.
Betreff:
Die Pflege des Heimatgedankens hier Anlegung gemeindlicher Ortsgeschichten.
1) Die Voraussetzung für den Aufstieg unseres Volkes aus dem jetzigen Tiefstande ist die Rückkehr zu deutscher Einfachheit, Zucht und Sitte. Dazu muß der Sinn für die Heimaterde geweckt, die Liebe zum Vaterlande entzündet und die Anhänglichkeit an die Familie und den Heimatort belebt und gefördert werden. Auf diesen Grundlagen baut sich neben der körperlichen und geistigen Ertüchtigung der Jugend die Zukunft des deutschen Reiches auf.
2) Der Pflege des Heimatsinnes dient vor allem die Kenntnis der engeren Heimat und ihrer Vergangenheit. In zahlreichen Bayerischen Gemeinden besteht bereits eine Ortsgeschichte, die in mehr oder weniger ausfuhrlicher Weise das schildert, was in guten und bösen Tagen die Vorfahren bewegt, was an Glück und Unglück im Dorf sich ereignet und was von alter Zeit her bis zur Gegenwart die Gemeinde geleistet oder unterlassen hat. Vieles ist bekanntlich aus der Vergangenheit zu lernen; deshalb sind solche Ortsgeschichten hervorragende Lehrbücher für das gegenwärtige Geschlecht. Um so mehr ist es zu bedauern, dass Niederbayern bisher verhältnismässig arm an Ortsgeschichten ist; es werden sich aber auch hier Wege zu einer rascheren Entwicklung, nach dieser Richtung finden lassen. Zu neuer Mitarbeit auf diesen Gebiete werden in erster Linie die Herren Geistlichen und die Herren Lehrer zu gewinnen sein. Für die Form und den Umfang der Ortsgeschichten lassen sich bei der großen Verschiedenheit der örtlichen Verhältnisse einheitliche Formen nicht aufstellen. Wichtig ist, daß alle bedeutenderen Vorkommnisse und Verhältnisse schlicht und leicht verständlich wiedergegeben und festgehalten werden. Dazu gehören beispielsweise die Schilderungen über Schlösser und ihre jeweiligen Besitzer, über Errichtung und Einweihung von Kirchen, Kapellen, Schulen und sonstigen öffentlichen oder bemerkenswerten Gebäuden, über festliche Veranstaltungen, Sitten und Bräuche, über Trachten, Lieder und Dichtungen über wichtige öffentliche Einrichtungen (Wasserleitungen, Stromversorgung usw.), über Kriegsnot, Krankheiten, Seuchen und Unglücksfälle, über die Wirksamkeit verdienstvoller Persönlichkeiten in der Gemeinde, über die wichtigsten Erwerbszweige der Bewohner, über Bodenbeschaffenheit und Bodenbearbeitung, über die Preisbewegung von landwirtschaftlichen und gewerblichen Erzeugnissen und dergl. Ohne weiteres Säumen und mit allem Nachdruck sollten in den einzelnen Gemeinden zunächst die Vorbereitung für die Herstellung der Ortsgeschichten aufgenommen werden. Hierzu zählt vor allem das planmäßige Sammeln des Stoffes, der in verstreuten Aufschreibungen, alten Chroniken, Kirchenbüchern, gemeindlichen Akten und Archivalien, Gemeinderechnungen, Zeitungen, Bildern und mündl. Überlieferungen enthalten ist. Soweit Urkunde im Privatbesitzer sind, empfiehlt sich zu ihrer Erhaltung die Überlassung an die Gemeinde oder den örtlichen Verein, wenn auch nur leihweise und unter Vorbehalt des Eigentums. Urkunden und Aufzeichnungen, die von den Besitzern nicht aus der Hand gegeben werden wollen, wären in besondere Nachweisungen aufzunehmen, damit sie bei der endgültigen Bearbeitung der Ortsgeschichte jederzeit aufgefunden werden können. Gegenwärtige und weitere Ereignisse sind sofort in kurzen Umrissen schriftlich zulegen und in die Stoffsammelakten einzufügen. Ist einmal die Stoffsammlung, zu der in geeigneten Fällen auch die Mitwirkung des Historischen Vereins für Niederbayern (1. Vorsitzender Staatsoberarchivar Knöpfler in Landshut) oder eines örtlichen Vereins mit Nutzen in Anspruch genommen werden kann, sorgfältig und gewissenhaft durchgeführt, so wird die Ausarbeitung der Ortsgeschichte keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bereiten. Es genügt zumeist, wenn ein Stück handschriftlich für die Gemeinde hergestellt und eine Abschrift dem Bezirksamt überlassen wird. Wo die Drucklegung der Ortsgeschichte geboten oder erwünscht erscheint, wird sich sicher die Gemeinde zur Bereitstellung der erforderlichen Mittel bereitfinden, sofern nicht kostenloser Abdruck in einem Heimatblatt oder in den Verhandlungen des Historischen Vereins für Niederbayern möglich ist. Für Arbeiten von mehr als örtlicher Bedeutung worden wohl auch Zuschüsse des Kreises erwirkt werden können. Die Herren Bezirksamtsvorstände ersuche ich, der Herstellung brauchbarer Ortsgeschichten ihr Augenmerk zuzuwenden und die erforderlichen Anregungen im Sinne vorsehender Ausführungen zu geben. Bis zum 1. April 1928 wolle berichtet werden, in welchen Gemeinden entsprechende Ortsgeschichte bereitsvorhanden und in welchen Gemeinden die Vorarbeiten in Angriff genommen worden sind (Anrede des Bearbeiters); von vorhanden Ortsgeschichten wäre tunlichst ein Stück bezufügen.
3.) Wenn die Ortsgeschichten die Liebe zum Heimatdorf oder zur Heimatstadt fördern, so wird der Sinn für die weitere Heimat durch gute heimatkundliche Zeitschriften geweckt und belebt. In jeder leistungsfähigen Gemeinde sollten mehrere Stück einer solchen Zeitschrift gehalten und den Schulen und der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. Zu empfehlen sind insbesondere die „0stbayerischen Grenzmarken'' (früher Niederbayerische Monatsschrift, Verlag der M. Waldbauer'schen Buchhandlung in Passau, Preis des Monatsheftes 50 Pf.) und die Zeitschrift „Deutsche Gaue“ (Herausgeber Kurt Frank in Kaufbeuren, Jahrgang 2.40 M), auf die bereits mit Min. Entschl. v. 5.5.1923 (StA. Nr. 106) nachdrücklich hingewiesen wurde, ferner die Zeitschrift „Bayerwald“ (Kommissionsverlag der Buchhandlung Ortolf und Walther in Straubing, Bezugspreis jährlich 6 RM, für Mitglieder des Vereins „Bayerwald“ kostenlos), die „Monatshefte der Bayerischen Waldvereins“ (Geschäftsstelle Karl Palestrini & Sohn in Regensburg, Maximilianstra. 3, für Mitglieder kostenlos) und die Halbmonatsschrift „Das Bayerland", Bayerland-Verlag München, Schellingstr. 41, Vierteljahrspreis 4.40 M)
4) Pflege des Heimatsinnes dient weiter die familiengeschichtliche Forschung. Auch auf diesen bedeutsamen Zweig heimatkundlicher Arbeit wolle bei jeder sich bietenden Gelegenheit hingewiesen werden. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit des eigenen Geschlechts weist die besonderen Verhältnisse und Fähigkeiten der Vorfahren auf und läßt Rückschlüsse auf eigene Anlagen zu, sie stärkt das Verantwortlichkeitsgefühl und den Familiensinn. Die Familienforschung zeigt den Weg in die alte angestammte Heimat und erfüllt mit, Liebe zur heimatlichen Scholle. Die wesentlichen Grundlagen für die Familienforschung sollen schon in der Volksschule gelegt werden; Erwachsene wären tunlichst durch geeignete Vorträge in die Grundzüge der Familienkunde einzuführen. Wertvolle Arbeit auf diesem Gebiet leistet der Bayer. Landesverein für Familienkunde in München, 32/0 (Jahresbeitrag 6 RM); er gibt in zwangloser Folge die „Blätter für Familienkunde“ heraus. Weiterhin wird auf die von Willi Hornschuch geleistete Zeitschrift „Kultur und Leben“ , Monatsschrift für kulturgeschichtliche und biologische Familienkunde (Verlag Lorenz Spindler in Nürnberg, Preis des Heftes etwa 60 Pf.) hingewiesen.
gez. Unterschrift.